3. Dekade 1965 - 1974
Zeit des politischen Umbruchs
Das dritte Jahrzehnt nach Kriegsende war das politisch wohl bewegteste in der Geschichte der Bundesrepublik. Das gilt sowohl für die Geschichte der CDU im Oberbergischen als auch für die allgemeine Politik. Dies war allerdings bei der Bundestagswahl 1965 noch nicht abzusehen. Doch auch hier gab es rein organisatorisch durch die Neueinteilung der Wahlkreise erhebliche Veränderungen. Der oberbergische Kreis wurde zusammengelegt mit 20 Gemeinden des Rhein-Sieg-Kreises zum Wahlkreis 65. Kandidat der CDU für diese Wahl war der in Honrath wohnende Hauptgeschäftsführer des BDI, Professor Gustav Stein.
Stein war ein sehr honoriger und eminent fleißiger Kandidat. Sein Sieg war keine Überraschung, auch nicht bei der Bundestagswahl 1969, obwohl hier die allgemeine Unruhe der Jahre ab 1966 schon ihren Niederschlag fand. 1969 hieß übrigens der SPD-Gegenkandidat von Gustav Stein Karl Wienand. Wer ihn kennt, kennt wahrscheinlich auch seine Art der Auseinandersetzung, wie er sie damals bei Podiumsdiskussionen und ähnlichen Anlässen pflegte. Karl Wienand erlangte als Parl. Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion traurige Berühmtheit durch die Steiner/Wienand-Affäre im Zusammenhang mit dem Konstruktiven Mißtrauensvotum im Deutschen Bundestag im Jahr 1972. Dieses Mißtrauensvotum führte zu vorgezogenen Neuwahlen des Deutschen Bundestages und der oberbergischen CDU war, wie auch breiteren Kreisen der Partei im Rhein-Sieg-Kreis, klar, daß eine erneute Kandidatur von Prof. Stein mit erheblichen politischen Risiken bezüglich des Wahlausgangs verbunden war. Gespräche mit Horst Waffenschmidt erbrachten dessen Bereitschaft, für den Deutschen Bundestag zu kandidieren. Da die politische Situation von Gustav Stein jedoch anders beurteilt wurde, kam es bei der Wahlkreisvertreter-Versammlung in Neukirchen/Rhein-Sieg-Kreis zur Kampfabstimmung. Horst Waffenschmidt siegte, Gustav Stein verlor. Es ist bedauerlich, daß er diese Niederlage nie verwunden hat.
Die politische Unruhe übertrug sich auch auf die Partei. Nach einem bewegten Kreisparteitag 1967 in Nümbrecht, bei dem Reinhard Kaufmann sich nicht wieder als Vorsitzender zur Verfügung stellte, wurde die oberbergische CDU erheblich durchgeschüttelt. Erst Anfang der siebziger Jahre, nach einer erfolgreichen Amtszeit von Eduard Dörrenberg seit 1968 und nach der Übernahme des Kreisvorsitzes von Dr. Hans Horn im Jahr 1973, kam wieder Ruhe und Kontinuität in die Partei. Auch organisatorisch gab es einen Umbruch.
Auf Initiative von Dr. Dieter Fuchs, dem damals amtierenden Kreisvorsitzenden, und von Kreisschatzmeister Albert Kierdorf wurde die Kreisgeschäftsstelle von Waldbröl nach Gummersbach verlegt und am 17. Februar 1968 in der dortigen Karlstraße eingeweiht. Konrad Frielingsdorf übernahm, in enger Zusammenarbeit mit Walter Otto, die Leitung der Geschäftsstelle und das Amt des Kreisgeschäftsführers.
Walter Otto schied 1971 nach 25 Jahren hauptamtlicher Tätigkeit aus den Diensten der CDU aus. Mit ihm ging eine Persönlichkeit in den wohlverdienten Ruhestand, die die Geschicke unserer Kreispartei wesentlich geprägt hat.
Die Kreistagswahl 1964 brachte der CDU wiederum den Gewinn von 16 Mandaten. Landrat wurde Dr. Heinrich Schild aus Oedinghausen in der Gemeinde Nümbrecht. Somit fand ein Ämtertausch statt, denn Reinhard Kaufmann übernahm als bisheriger Landrat den Vorsitz der Kreistagsfraktion, den vorher Dr. Schild innehatte. Heinrich Schild war 1961 in den Kreistag gekommen und brachte als ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Europaparlaments einen reichen Erfahrungsschatz ein. Als Werner Spielhoff 1963 verstarb, wurde Schild sein Nachfolger im Fraktionsvorsitz und er gehörte zu den profiliertesten Persönlichkeiten des oberbergischen Kreistages.
Eines gelang ihm allerdings nicht: Bei der Landtagswahl 1962 wollte er gerne Nachfolger von Ernst Budde als Kandidat der CDU im Wahlkreis Oberberg Süd werden. Aber da war noch ein junger Mann aus Waldbröl, Kreistagsmitglied seit 1961, der sich gegen den Willen der Partei-Oberen, von der Jungen Union des Kreises und Landes massiv unterstützt, um dieses Mandat bewarb. Sein Name: Horst Waffenschmidt. Und Waffenschmidt gewann die Kampfabstimmung gegen Heinrich Schild und auch das Landtagsmandat bei der Wahl 1962.
Daß Dr. August Dresbach bei den Bundestagswahlen 1957 und 1961 das Direktmandat im Oberbergischen Kreis errang, wurde schon erwähnt. Die Wahlperiode 1961-1965 war seine letzte. Seine Gesundheit, insbesondere sein schwindendes Augenlicht, ließen eine weitere politische Tätigkeit nicht zu. August Dresbach hat die Politik im Oberbergischen Kreis in dessen Aufbauphase nach dem Krieg wesentlich geprägt. Und, obwohl er nie Parteivorsitzender war, hat er auch das Parteileben erheblich beeinflußt.
Auch mit Reinhard Kaufmann, Nachfolger von Ernst Budde im Parteivorsitz, arbeitete er eng zusammen. In der oberbergischen Kommunalpolitik dieser Jahre und in der CDU lief nichts ohne das Dreiergespann Kaufmann/Dresbach/Goldenbogen - bis auf die erwähnte Ausnahme: die Landtagskandidatur von Horst Waffenschmidt.
Auch die Vorbereitungen zur Kommunalwahl 1969 waren mit personellen Problemen belastet. Dr. Heinrich Schild stellte sich nicht mehr als Spitzenkandidat für die Kreistagswahl zu Verfügung. So wurde der damalige Fraktionsvorsitzende Hans Wichelhaus, der das Amt von Reinhard Kaufmann übernommen hatte, Spitzenkandidat und nach der Wahl Landrat des Oberbergischen Kreises. Wichtige Entscheidungen waren in der voraufgegangenen Wahlperiode gefallen: die Neuordnung des Berufsschulwesens, der Neubau des Kreishauses und die Fertigstellung des Kreiskrankenhauses Waldbröl. Bis 1974 stand die Diskussion um die Kreisneuordnung im Mittelpunkt des politischen Geschehens, nachdem schon 1969 eine Neuordnung einzelner Gemeinden innerhalb des Kreises durchgeführt worden war. Bei den Landtagswahlen 1966 war der Oberbergische Kreis erstmals ein Wahlkreis und er wurde von Dr. Helmut U. Solbach direkt gewonnen. Horst Waffenschmidt kam über die Reserveliste in das Landesparlament. 1970 kehrte er jedoch den Spieß um und besiegte seinen SPD-Gegenkandidaten mit einem überzeugenden Ergebnis.
Im Mai 1974 verlegte der Kreisverband sein Domizil von der Gummersbacher Karlstraße in die Schützenstraße. Das Foto zeigt die Führungsspitze der Partei in der neuen Geschäftsstelle (von links nach rechts) Dr. Hans Horn, Eduard Dörrenberg, Dr. Dieter Fuchs, Dr. Horst Waffenschmidt, Hans Wichelhaus, Konrad Frielingsdorf.